Achtsamkeit im Unternehmen – Modeerscheinung oder betriebswirtschaftlich wirksame Haltung?





Kein Zweifel – Achtsamkeit ist en vogue!


 

Vor allem im Rahmen der Burnout-Prävention tauchen immer mehr unterschiedliche auf Achtsamkeit Bezug nehmende Programme auf – allen voran MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction).

Buddhistische Philosophie und Psychologie, neue Entwicklungen der Kognitiven Verhaltenstherapie, Positive Psychologie, Akzeptanz- und Commitment-Therapie – sie alle sind zur Zeit auf dem Markt omnipräsent.


Und das Attribut 'achtsam' wird mittlerweile in vielen Bereichen der Mitarbeiterführung, des Change Managements, der Teambildung etc. fast schon inflationär eingesetzt und soll eine werbende Wirkung entfalten.



Eine neue kurzlebige 'Weichspülwelle' angesichts einer dominierenden 'Zahlen-Ziel-Kultur', die für viele MitarbeiterInnen, Führungskräfte und Teams psychisch und physisch nicht mehr zu ertragen und zu bewältigen ist?



Fakt ist, dass die 'Zahlen-Ziel-Kultur' und die damit verbundenen Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten in Unternehmen vielfach überschätzt werden. Die immer noch weit verbreitete rührende Illusion, man müsse nur die 'richtigen' Stellhebel kennen und beeinflussen – der Erfolg stelle sich dann quasi automatisch ein, verliert angesichts hochkomplexer globaler Systeme, die schlichtweg häufig unberechenbar agieren und reagieren, an Strahlkraft.


Und die Menschen dekompensieren immer häufiger unter dem Zustimmungsdruck zu Zielen, die von ihnen freudig, kreativ und leistungsstark erreicht werden sollen, die aber unkontrollierbaren Einflussfaktoren unterliegen. Der Verantwortungsdruck steigt, aber die Einflussmöglichkeiten nehmen nicht zu bzw. sogar sehr oft eher ab.


Das Prinzip des 'Du-bist-nicht-gut-genug' schlägt voll durch und Selbstüberforderung bis zur Selbstaufgabe mit den entsprechenden bio-psycho-sozialen Folgen fordern dann ihren Tribut.



Und was kann Achtsamkeit und von ihr geprägtes Denken, Fühlen und Handeln in diesem Zusammenhang leisten?



Achtsamkeit ist unverbrüchlich verknüpft mit einem bewusst gewählten hohen Aufmerksamkeitsfokus auf das Hier-und-Jetzt. Wenn ich achtsam bin, wende ich mich dem zu, was sich im Augenblick ereignet und zeigt – außerhalb meiner selbst und auch in mir. 'Hätte …', 'wäre …', 'könnte …', 'würde …' und ähnliche Denk- und Fühlfiguren haben dann wenig bis keinen Platz.

Die Fokussierung liegt auf dem nicht-bewertenden Wahrnehmen der Gegenwart und nicht auf der Vergangenheit und auch nicht auf der Zukunft.


Wie wohltuend wäre es doch manchmal in Unternehmen oder auch in Teams, wenn in Meetings, Konferenzen oder strategischen Sitzungen weniger vergangenheitsbezogen nach Schuld und Schuldigen gesucht würde, sondern gegenwartsbezogen nach Lösungen!


Und könnte nicht eine – durchaus berechtigte – Zielorientierung von Unternehmen und MitarbeiterInnen, die ja immer zukunftsorientiert ist und den Druck des 'Nicht-gut-genug' permanent verschärft, positiv relativiert werden durch einen von Offenheit und Gelassenheit bestimmten Blick, der die Chancen des gegenwärtigen Denkens und Handelns entdeckt und entsprechend würdigt?

Wie oft werden wirtschaftliche Chancen des Augenblicks vertan, weil alle mit einem 'Ziel-Tunnel-Blick' agieren?!



Achtsamkeit nimmt nicht nur die angenehmen Dinge im inneren und äußeren Erleben wahr, sondern auch unangenehme, schmerzliche und verletzende – sonst würden wir ja ganze Bereiche in uns selbst unachtsam ausblenden.


Im Unternehmensbereich wird – wie gesamtgesellschaftlich auch - dem Prinzip der Vermeidung und/oder Kontrolle unangenehmer Gedanken und Gefühle häufig gehuldigt: Schwächen sind Entwicklungsfelder, Fehler sind Verbesserungschancen … - alles nicht ganz unrichtig, aber damit werden wir darauf gepolt, unangenehme Gefühle, Gedanken und inneres Erleben zu vermeiden.

Die Wirkung liegt klar auf der Hand: Indem wir vermeiden oder kontrollieren verlieren wir eine Menge Energie – die uns für Lösungsfindung bzw. kreative Prozesse verloren geht!


Wie entspannt könnten MitarbeiterInnen sein, wenn es Ihnen gelänge, wohlwollend zu akzeptieren, was an unangenehmen Gefühlen und Erleben einfach auftaucht – sowohl bei ihnen selbst als auch im Bereich des Miteinanders und der Kommunikation.

Dann gäbe es zum einen die Chance, diese unangenehmen Dinge frühzeitig konstruktiv im Sinne einer Konfliktprophylaxe zu bearbeiten und zum anderen gelänge es vielen vielleicht besser, Dinge, die nicht zu ändern sind ohne Groll und ohne Jammern zu akzeptieren!


Was für eine Kulturveränderung im Unternehmen!



Achtsamkeit bedeutet neben dem sorgfältigen Beobachten von eigenen Gedanken und Gefühlen auch, dass ich realisiere, dass diese Gedanken und Gefühle nicht gleichzusetzen sind mit mir als Person. So besteht ein großer Unterschied zwischen der Überzeugung 'Ich bin aggressiv' und dem Beobachten des entsprechenden Gefühlszustandes 'Ich habe ein aggressives Gefühl'. Letzteres ermöglicht eine 'Wahl', wie ich mit dem Gefühl umgehen will, ersteres liefert mich dem Gefühl aus.

'Es geht hier nicht mehr weiter!' blockiert mich und 'Ich habe den Gedanken, dass es hier nicht mehr weitergeht!' lässt auch andere Gedanken zu bzw. ermöglicht es, nach anderen Gedanken zu suchen und sich für einen zu entscheiden.


Ich selbst bestimme achtsam, wie ich denke und formuliere.

Wie schon Viktor Frankl sagte: 'Ich muss mir doch von mir selbst nicht alles gefallen lassen!'


Auch in Unternehmen kann hier Achtsamkeit dazu ermuntern, Gedanken als Gedanken und Überzeugungen als Überzeugungen wahrzunehmen und damit Engstirnigkeit zu vermeiden und Wahlmöglichkeiten und Wahlfreiheit zu eröffnen.

Das könnte auch viel zu einer Unternehmenskultur beitragen, wo Leitsätze, Slogans etc. ernst genommen werden und gleichzeitig humorvoll-kritisch hinterfragt werden dürfen!



Achtsamkeit heißt auch, sich dessen bewusst zu werden, was einem wirklich wichtig und wertvoll ist, wofür man im Leben stehen will.


Daraus entwickeln sich dann werte-orientierte Lebensziele, die ich erreichen möchte und für die ich mich auch mit engagiertem Handeln einsetze.


Diese Gedanken, die ja eindeutig mit dem Gedankengut der Logotherapie und Existenzanalyse korrelieren, sind im Businessbereich mittlerweile angekommen.

Man hat erkannt, dass motivierte MitarbeiterInnen, die auch jenseits ihrer Pensionsansprüche noch gerne im Unternehmen mitarbeiten und sich einbringen, nur zu gewinnen sind, wenn die persönlichen Lebenswerte sich mit den Unternehmenswerten gut vereinbaren lassen.


'Werte-orientierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung' (Werte sind hier als ethische Werte und nicht als Zahlenwerte zu verstehen!) hat in viele Unternehmen erfolgreich Einzug gehalten und die positiven Ergebnisse sind bereits in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen festgehalten!



Fazit:



Achtsamkeit trägt das Potenzial in sich, auch im wirtschaftlichen Bereich eine dauerhafte Bedeutung zu erlangen.


Betriebswirtschaftliche Erfolge sind dadurch nicht programmierbar, aber durch eine achtsame Haltung, die sich in vielen betrieblichen Belangen positiv auswirkt, steigt die Chance auf Erfolg wesentlich und – die Lebensqualität derer, die an diesem Erfolg mitarbeiten erhöht sich um ein Vielfaches!


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